Der Pyjamastern

Ich nähte mir wieder einmal ein Pyjama und dabei blieb ein kleines Stück des weichen Jerseystoffes übrig. Zuviel um es wegzuschmeißen, zu wenig um ein weiteres Kleidungsstück daraus zu nähen. Da kam mir die Idee, ich könnte aus dem Stoffrest einen Stern nähen und diesen mit etwas Stopfwatte füllen. Diesen kleinen, kuscheligen Stern schenkte ich meinem Töchterchen mit folgenden Worten: „Dieser Stern ist aus meinem Pyjamastoff gemacht und er soll dich immer daran erinnern, dass wir verbunden sind. Wenn du auswärts übernachtest und mich vermisst, kannst du dich an den Stern kuscheln und daran denken!“

In den nächsten Wochen war ich selber überrascht, welche Wirkung dieser kleine Stern hatte. Aber eigentlich war es ja nicht der Stern, der „wirkte“, sondern viel mehr die Erinnerung und Zusicherung an unsere Verbundenheit – auch wenn wir physisch getrennt sind. Von nun an übernachtete unser Kind viel leichter bei ihren Großeltern, bei der Patentante und etwas später wagte sie sich sogar in ein Kinderlager! Und der Stern war überall dabei

Natürlich müssen sich nun nicht alle Eltern an die Nähmaschine setzen. Nicht für alle Kinder, die Mühe haben, auswärts zu übernachten, ist so ein Stern die Lösung. Vielmehr geht es darum, herauszufinden, wie stark der Wunsch nach einer Übernachtung auswärts im Kind selber ist. Ist dieser stark, aber die Trennungsangst steht wie ein Drache vor dem Schatz, kann man sich überlegen, ob so eine Hilfe zum Festhalten Sinn machen könnte. Das kann ein gemeinsames Ritual sein, ein Stofftier, Mamas Halstuch, Papas T-Shirt … Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

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Solche Hilfen können auch in anderen Trennungssituationen eine Hilfe sein. Eigentlich überall da, wo wir physisch getrennt sind. – Dabei fällt mir gerade ein, dass ich mir diese Hilfe zum Festhalten als Kind selber geholt habe: Wenn mein Papa auf Geschäftsreise musste, schlich ich mich am Abend davor ins Badezimmer an seinen Spiegelschrank. Dann sprühte ich etwas von seinem Parfüm auf ein Papiertaschentuch, welches ich unter mein Kopfkissen legte. Wann immer ich den Papa vermisste oder einfach zum Einschlafen, schnupperte ich daran und fühlte mich mit ihm verbunden und geborgen.


Angela Indermaur