Schmetterling flieg!

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Es war an einem normalen Samstag Abend. Wir hatten Besuch, für den ich fein gekocht hatte. Nach dem Essen blieben wir bei einem Glas Wein noch einen Moment am Tisch sitzen und unterhielten uns angeregt. In einer Gesprächspause nahm ich plötzlich wahr, was neben mir passierte: eines meiner Kinder hatte so ganz nebenbei den Tisch abgeräumt und die Küche gemacht! Nur Teenie-Eltern wissen wohl, welche Überraschung in diesem Satz steckt! Nach einer gefühlt ewig langen Zeit in der mein Teenager seine Umwelt und seine Mitmenschen und deren Bedürfnisse kaum von sich aus wahrgenommen hat, war diese aufgeräumte Küche, und der darauffolgende Satz DIE Überraschung für mich: «Mama ich dachte einfach, du hast ja schon so lange in der Küche gestanden, da kannst du doch jetzt mal sitzen bleiben und ich mach die Arbeit.» Wow!

Mir kam es vor, als sein mein Teenager an diesem Abend aus einem Nebel aufgetaucht. Plötzlich konnte er wieder klar sehen und die Welt um sich und die Bedürfnisse seiner Mitmenschen wahrnehmen. Nicht, dass das von nun an immer perfekt gelang, aber es war ein Meilenstein.

Gordon Neufeld beschreibt diese Zeit in der Adoleszenz als Tunnel. Als eine wichtige Zeit der Innenschau, in der eine Persönlichkeit geboren wird. Nicht bei jedem Kind sieht man dieses «Herauskommen» so deutlich, manchmal kommt es auch schleichend. Gerade deshalb war das für mich ein besonderes Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Als Eltern machen wir uns ja im Grunde genommen mit unseren Kindern auf einen Weg, den wir nicht so genau kennen und dessen Ziel uns manchmal weit weg erscheint. Die Adoleszenz ist ein spannender Weg, der uns oft eine gehörige Portion Liebe und Geduld abverlangt. Doch es lohnt sich so sehr, sich darauf einzulassen und an der Beziehung festzuhalten. Wenn sich da eine Persönlichkeit entwickelt, oder mit anderen Worten, der wunderschöne Schmetterling zu fliegen beginnt weiss man: es hat sich so gelohnt!

Angela Indermaur