Strafe muss sein!?
Es war vor vielen Jahren… Ich nahm an einem Erziehungscoaching in der Gruppe teil und an einem Anlass ging es darum, Ideen für kreative Strafen zusammenzutragen. Die eine oder andere Idee probierte ich aus, aber es fühlte sich damals schon nicht richtig und nicht passend an.
Einige Jahre später fand ich heraus, warum ich mich mit der «Straferei» so schwertat: Es ist effektiv so, dass die meisten Strafen wirkungslos sind. Und dort, wo sie wirken würden, sind sie in den meisten Fällen bereits unnötig. Es gibt also wenig Momente, wo eine Strafe wirklich Sinn macht und eine Wirkung erzielt.
Laut dem bindungsbasierten Entwicklungsansatz von Gordon Neufeld ist es für «wirksame Strafen» entscheidend, ob das Kind ein weiches Herz hat. Wir Menschen sind ja in der Lage, unsere Herzen zu verhärten, oder wie wir auch sagen, uns zu panzern, wenn uns etwas oder eine Situation zu verletzlich wird. Dieses Panzern kann sehr schnell geschehen und es kann leider auch chronisch werden. Wenn ein Kind nun auf ein Fehlverhalten aufmerksam gemacht wird, kann das schon recht verletzlich sein und die Chance ist hoch, dass sich das Kind panzert. Dies vor allem dann, wenn die Bindung nicht sehr aktiv ist, oder wir gar keine wirkliche Bindung zum Kind haben, zum Beispiel im Rahmen der Schule oder so.
Mit einer Strafe möchten wir ja bewirken, dass das Kind einsichtig wird und sein Verhalten verändert. In gepanzertem Zustand ist aber genau diese Einsicht nicht möglich. Denn sie erfordert eben genau dieses «in Kontakt sein mit den Gefühlen», also ein weiches Herz. Das Kind wird sich dann eher noch tiefer panzern und uns als Gegner erleben. Es folgen dann solche Aussagen wie «Das ist mir doch egal» oder «Der Lehrer ist eh blöd…». Solche und ähnliche Aussagen lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein verhärtetes Herz schliessen.
Umgekehrt, wenn ein Kind einsichtig wird, sich vielleicht sogar entschuldigt und man spürt, dass es sein Verhalten verändern möchte… Tja, warum sollte man diesem Kind dann noch eine Strafe aufbrummen? Wir haben unser Ziel, nämlich Einsicht und der Wille zur Veränderung ja bereits erreicht.
Wie gesagt, es gibt Situationen, wo eine Strafe trotzdem Sinn macht. Die Gründe dafür liegen aber meist nicht beim Kind selbst, sondern vielmehr im Umfeld: Manchmal muss man um der Gerechtigkeit Willen innerhalb einer Gruppe eine Strafe verhängen, um die Kinder von Selbstjustiz abzuhalten.
An dieser Stelle kommt dann immer auch die Frage nach «Konsequenzen» auf. Ja, es gibt Situationen, wo eine Tat oder ein Verhalten Konsequenzen nach sich zieht. Und es kann durchaus heilsam sein, wenn ein Kind diese Konsequenzen auch tragen muss, im Sinne von «die Suppe auslöffeln, die man sich eingebrockt hat.» Allerdings ist dies erst möglich, wenn ein Kind bereits gemischte Gefühle hat, also nicht bei Kleinkindern!
Das Schöne ist: Beim «Ausbaden» dürfen, nein sollen wir als Eltern uns auf die Seite des Kindes stellen und ihm da hindurch helfen. Denn wenn ein Kind einsichtig ist, gibt es keinen Grund, das nicht zu tun. Und wenn nicht, dann muss es unser oberstes Ziel sein, sein Herz zu erweichen, damit es überhaupt in die Lage kommt, einsichtig zu werden. Und dies können wir nicht, wenn wir vom Kind als Gegner wahrgenommen werden. Dafür müssen wir umso mehr auf die Seite des Kindes kommen, was nicht heisst, dass wir alles Gut heissen, was es so tut! «Coming alongside» bedeutet, auf der Seite des Kindes stehen und das Beziehungsseil nicht loslassen, komme was wolle!
Ich mag mich gut an eine Situation erinnern, wo ich so einen richtig heftigen Blödsinn gemacht hatte und diesen auch ausbaden musste. Ohne die Unterstützung meiner Mutter hätte ich das kaum geschafft. Heute können wir darüber lachen…
Was das für ein Blödsinn war? Beim nächsten mal 😉
Muss Strafe wirklich sein?
Übrigens, schon gesehen?