Die liebe Ordnung…
«Ich brauche Stelzen, um in diesem Zimmer bis zum Fenster zu kommen.»
Immer wieder höre ich Eltern von Teenagern über die Ordnung, bzw. eben die Unordnung in den Zimmern ihrer Sprösslinge stöhnen. Und mindestens genau so oft bekomme ich die Klagen der Teenies zu hören: «Die Eltern nerven mich ständig damit, dass ich mein Zimmer aufräumen sollte.»
An einem Tag erklärte mir Lily (14j.), die Unordnung oder das angebliche «Puff» sei in ihren Augen eher «gemütliches Chaos». Und dieses «gemütliche Chaos» bestünde doch nur aus zwei, drei getragenen Kleidern, die am Boden liegen und vielleicht noch zwei, drei Gläser und leere Joghurtbecher, die den Weg noch nicht in die Küche gefunden hätten. Und nur deshalb würden ihre Eltern regelmässig einen Aufstand veranstalten. Sie verstehe das einfach nicht.
Kurz darauf im Gespräch mit der Mutter durfte ich mir ihre Beschreibung anhören: Kein Fleckchen des Zimmerbodens sei frei. Frische und gebrauchte Kleidung liege kreuz und quer rum. Essensreste von mehreren Tagen sei überfall zu finden. Dazu in jeder Ecke gebrauchte Taschentücher, Kosmetik- und Hygieneartikel.
Nun ja, wo genau die Wahrheit nun lag weiss ich natürlich nicht. Ich nehme an, irgendwo dazwischen. Und ob Ordnung oder Unordnung besteht, liegt wohl auch im Auge des Betrachters.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte ich mich auch in die Reihe der jammernden Eltern einreihen können. Und es ist nur ein bisschen länger her, da hätte ich das gleiche über meine Eltern gesagt wie Lily selbst.
Natürlich sind Teenager so verschieden wie alle anderen Menschen auch. Und so gibt es durchaus auch Teenies, die eine penible Ordnung in ihrem Zimmer halten. Unser Sohn war so einer. Einfach herrlich! Doch es scheint tatsächlich eher die Ausnahme zu sein. Die meisten Teenies tun sich schwer mit Ordnung halten und das hat auch seinen guten Grund:
In der Pubertät wird buchstäblich das Gehirn einem grossen Umbau unterzogen. Und wie das beim Umbauen so ist, herrscht in der Regel Chaos. Wenn nun also im Inneren so viel Chaos herrscht, ist es natürlich schwer, im Äusseren Ordnung und System herzustellen oder aufrechtzuerhalten.
Wie im letzten Blog ausführlich beschrieben, können Teenies eine Zeit lang mit dem Prinzip der Arbeit wenig anfangen. Dazu gehört leider auch die Überlegung, dass ich heute meine Kleider direkt in den Wäschekorb schmeisse, damit sie morgen gewaschen werden und ich sie übermorgen wieder tragen kann. Wenn man abends müde ist und so schnell wie möglich chillen möchte, ist dieser Gedankengang einfach nicht abrufbar. Und wenn man morgens spät dran ist, schon gar nicht. Leider.
Aus diesen beiden Gründen ist es einfach nur normal, dass Teenies sich mit der Ordnung schwertun.
Wie überleben wir nun aber diese Phase? Dazu ein paar Punkte:
- Das Beste gleich am Anfang: Diese Phase geht vorbei!
Bei den meisten Jugendlichen zumindest. Natürlich gibt es auch jene, die einfach eher chaotisch veranlagt sind und es auch bleiben werden. Und Jugendliche die Schweres erlebt haben und einen «Rucksack an unverarbeitetem Stress» mit sich tragen, werden sich auch noch über die Pubertät hinaus mit Ordnung und System schwer tun.
- Barmherzigkeit: Wenn wir wissen, dass es als Teenie einfach naturgegeben schwierig ist, Ordnung zu halten, macht uns das auch barmherzig. Es hat nichts mit verwöhnen zu tun, wenn wir ihnen in dieser Zeit helfen und sie unterstützen. Ich habe so manche Apfelgehäuse, leere Joghurtbecher und Coladosen mit einem Augenverdrehen einfach entsorgt. Und ich habe manches mal beim Aufräumen geholfen und mich dabei über gute Gespräche gefreut. Selbstständig sind alle drei trotzdem geworden 😉
- Abgrenzung: Bei allem Verständnis heisst das nicht, dass wir das Chaos überall tolerieren müssen. Das Haus gehört immer noch den Eltern und diese bestimmen mindestens in den gemeinsam genutzten Räumen, wie es darin aussehen soll.
Uns haben Körbe auf der Treppe jahrelang gute Dienste geleistet. Alles, was irgendwo im Haus liegen gelassen wurde, habe ich da hineingelegt. War ein Korb voll, landete der Inhalt auf dem Schreibtisch des jeweiligen Teenies.
- Alles im Rahmen: Selbstverständlich hat alles seine Grenzen. Gammelnde Lebensmittelreste, verschmutzte Bettwäsche, die über Monate nicht gewechselt wird (dank meiner Allergie nicht bei uns!) und so weiter, müssen wir nicht einfach tolerieren. Da hilft es, in einer ruhigen Minute mit dem Teenie das Gespräch zu suchen und Abmachungen zu treffen.
- Gegenwille vermeiden: So oft höre ich von Teenies die folgende Aussage: «Ich wache dann manchmal am Wochenende auf und habe so richtig Lust, mein Zimmer aufzuräumen. Und dann kommt Mama und sagt mir ganz streng, ich soll jetzt endlich mein Zimmer aufräumen. Dann ist es auf der Stelle vorbei mit meiner Lust und Motivation und ich mache es wieder nicht…»
Ob diese Teenies ihr Zimmer an diesem Tag wirklich aufgeräumt hätten, das bleibe dahingestellt. Allerdings habe ich früher bei meinen Teenies schon beobachtet, dass sie so alle paar Wochen von selbst einen «Aufräum-Anfall» bekamen und dann waren die Zimmer jeweils innert Kürze wunderbar aufgeräumt und dekoriert. Irgendwann (ja, es hat lange gedauert…) habe ich tatsächlich aufgehört, sie aufzufordern und habe auf den nächsten «Anfall» gewartet. Diese Anfälle hätten für meinen Geschmack öfter kommen können, aber es war definitiv der bessere Weg, als sich auf Machtkämpfe einzulassen.
- Humor: Mit ein bisschen Ironie und Sarkasmus geht’s besser! Wirklich! 😊
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